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08. Mai 2023

Ein Botschafter des Erinnerns

Der polnische Zeitzeuge Stanisław Zalewski besuchte Österreich anlässlich des Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager Mauthausen und Gusen

Anfang Mai 2023 besuchte der mittlerweile 97-jährige polnische Zeitzeuge Stanisław Zalewski Österreich. Er nahm als einziger ehemaliger Häftling bei den Gedenkveranstaltungen an der KZ-Gedenkstätte Gusen teil. Unvergesslich bleiben seine berührenden Worte bei der Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus im österreichischen Parlament und der herzliche Empfang beim Wiener Bürgermeister Michael Ludwig am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Gusen.

Stanisław Zalewski, geboren am 1. Oktober 1925 in Sucha Wola/Polen, erlebte als 14-Jähriger den Einmarsch der Wehrmacht in Polen und den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. In den folgenden Jahren hatte er Kontakt zu diversen Widerstandsgruppen. 1943 wurde er von der Gestapo verhaftet. Er kam danach zuerst ins berüchtigte Pawiak-Gefängnis, dann ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, von dort ins Konzentrationslager Mauthausen und schließlich ins KZ Gusen I und Gusen II, wo er bis zu seiner Befreiung als Zwangsarbeiter in der Rüstungsfabrik Messerschmitt und dem Kommando Bergkristall eingesetzt war.

Insgesamt 545 Tage war er in den Konzentrationslagern gefangen. Nachdem am 5. Mai 1945 das NS-Konzentrationslager Gusen östlich von Linz durch die US-Armee befreit wurde, dauere Zalewskis Heimkehr noch weitere 78 Tage – via Nürnberg als Teil der amerikanischen Armee. In Warschau angekommen, erblickte Zalewski Ruinen und erfuhr, dass seine Mutter und sein Bruder im Krieg umgekommen waren. Nach dem Krieg gründete Stanisław Zalewski eine Familie, wurde Diplomingenieur im Fachgebiet mechanische Fahrzeuge und bereiste mit seiner Frau die Welt.

Er ist immer noch ein aktiver Vorsitzender des Polnischen Vereins ehemaliger Politischer Häftlinge von Hitlerschen Gefängnissen und Konzentrationslagern und Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees. Als Aktivist und Zeitzeuge setzt sich Zalewski seit Jahren unermüdlich dafür ein, dass das ehemalige KZ-Gelände in Gusen zu einem würdigen Ort des Gedenkens wird. So betonte er am 4. Mai, dem Vorabend des 78. Jahrestages der Befreiung durch die US-Armee, bei der durch die KZ-Gedenkstätte Mauthausen veranstalteten Gedenkfeier: „Ich wünsche mir, dass diese Gedenkstätte resistent gegen die Winde der Geschichte wird, das heißt gegen gesellschaftspolitische Veränderungen, die auf der ganzen Welt stattfinden. Und dass alle gegenwärtigen und zukünftigen Nationen und Generationen diesen Ort verstehen mögen.“

Die Gedenkfeier am ehemaligen Appellplatz Gusen fand in Anwesenheit der Bundesregierung und mit Teilnahme zahlreicher nationaler und internationaler Opferorganisationen und Gedenkinitiativen statt, die am Beteiligungsprozess zur Weiterentwicklung der KZ-Gedenkstätte Gusen mitwirken. So standen Seite an Seite mit Bundeskanzler Karl Nehammer, dem Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und mehreren Bundesministerinnen und -minister auch Guy Dockendorf, Vorsitzender des Internationalen Mauthausen Komitees, Dani Dayan, Vorsitzender der internationalen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Israel, Bischof Manfred Scheuer, Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Christian Aufreiter, Bürgermeister von Langenstein, Martha Gammer, Gedenkdienstkomitee Gusen, Ulrike Springer, Jehovas Zeugen, Christian Klippl, Vorsitzender des Kulturvereins österreichischer Roma und mit Dominic Floh auch einer der Jugendlichen, die ihre Stimmen in den Beteiligungsprozess einbrachten.

„Es liegt nun an uns allen, aus Gusen einen Ort zu machen, der sich seiner Geschichte erinnert und an dem zugleich Demokratie für die Zukunft gestärkt und immer wieder neu ausverhandelt wird. Die Republik Österreich wird ihre Verantwortung in diesem Prozess weiterhin wahrnehmen“,  versicherte Bundeskanzler Karl Nehammer.

Die Zukunft des Gedenkens und der Weiterentwicklung der Erinnerungskultur standen im Mittelpunkt der heurigen Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus im Parlament am letzten Freitag. Die Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Barbara Glück, berichtete dabei über die Herausforderungen des Beteiligungsprozesses in der Gedenkstätte Gusen. Der entscheidende Punkt sei, dahin zu kommen, dass Menschen aufeinander zugehen und miteinander über ihre Vorstellungen, Erwartungen, aber auch über ihre Vorbehalte in Hinblick auf die geplante neue Gedenkstätte und das künftige Gedenken zu sprechen, so Barbara Glück. Am Schluss der von ORF 2 live übertragenen Gedenkveranstaltung ergriff einer der letzten Überlebenden des KZ Gusen, Stanisław Zalewski, das Wort. Er erinnerte an die Aufschrift an der Gedenkstätte: „Wir leben so lange, solange diejenigen leben, die sich an uns erinnern.“ Sein Wunsch: „Der Mensch soll dem anderen Menschen ein Mensch sein.“

Ein Botschafter des Erinnerns wurde der unermüdliche Zeitzeuge vom Wiener Bürgermeister genannt, der vom Engagement Zalewskis gegen das Vergessen der schrecklichen Taten des Naziregimes tief beeindruckt war: „Sie sind ein Vorbild in mehrfacher Hinsicht: Sie haben ihr Leben lang Rückgrat bewiesen“, so Michael Ludwig. Nicht zuletzt habe es sich Zalewski zur Aufgabe gemacht, „als Zeitzeuge vor dem Terrorregime des Nationalsozialismus zu warnen und insbesondere Jugendlichen die eigenen, schrecklichen Erfahrungen zu schildern.“ Stanisław Zalewski äußerte bei dem rund einstündigen Gespräch im Rathaus auch die Hoffnung, dass es in irgendeiner Form zu einer Zusammenarbeit zwischen seinem Verein ehemaliger Politischer Häftlinge von Hitlerschen Gefängnissen und Konzentrationslagern und der Stadt Wien kommen möge.

„Mein Ziel nach meiner Befreiung war es immer, junge Menschen dazu zu bewegen, sich für die Demokratie zu engagieren. Damit sich nicht das wiederholt, was mir als Erfahrung zuteilgeworden ist“, sagte Zalewski im Rathaus. Daher wundert es nicht, dass er seinen diesjährigen Österreich-Besuch mit dem Treffen mit Schülerinnen und Schüler der Vienna Business School abschloss. Nicht ohne vorher dem Fernsehteam ein Versprechen zu machen: „Solange ich lebe und es meine Gesundheit zulässt, werde ich auch in den nächsten Jahren nach Österreich kommen!“  

Quelle: Redaktion/APA OTS
Fotos: Stanisław Żelasko

Fotomaterial (Abdruck honorarfrei):
www.dropbox.com/sh/p0ixsnguxs0pw52/AABoCh2dB4lSp9eFZ349la9Ma?dl=0

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