Der LET'S CEE Kurator für den Spielfilm-Wettbewerb, Michał Oleszczyk, über seine Auswahl:
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Als jemand, der 1982 im kommunistischen Polen geboren wurde, und jemand, der die Welt von 2018 mit nicht wenig Angst betrachtet, frage ich mich oft: Was bedeutet es, Mitteleuropäer oder Mitteleuropäerin zu sein...? Ist es eine Herausforderung, ein Handicap oder vielleicht ein Geschenk und eine Gelegenheit, die Welt auf einzigartige Weise zu erleben? Mein Besuch in Wien anlässlich des diesjährigen LET’S CEE Film Festivals wird meine erste Reise in die Stadt sein, seit 1989. Als Siebenjähriger besuchte ich die österreichische Hauptstadt zum ersten Mal und bezeugte den kapitalistischen Reichtum mit den weit aufgerissenen, ehrfürchtigen Augen eines Kindes aus dem Ostblock.
Es scheint, dass sich die Welt seit 1989 mehrmals verändert hat. Wir leben jetzt in einem globalen Dorf und es ist faszinierend zu sehen, wie die cineastischen Stimmen in Ost- und Mitteleuropa es immer noch schaffen, unverwechselbar und stark zu sein. Die harten historischen Erfahrungen der Region, einschließlich Völkermord, Totalitarismus und viele Fälle, in denen Kultur, Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit miteinander kollidierten, machten uns MitteleuropäerInnen zu Menschen, die zwar nicht immer leicht zu verstehen sein mögen, aber die man schwer überhören kann. Wenn ich Filme wie Alexey Germans Film Dovlatov sehe, der brillant die Ära der staatlichen Unterdrückung von KünstlerInnen in der Sowjetunion der 1970er Jahre wachruft, erkenne ich die schwierige Position, aus der der Regisseur zu uns spricht. In gewisser Weise haben wir das alle erlebt. Der Klang der individuellen Gewissensfrage, die auf ein totalitäres System tritt, ist immer derselbe.
Bei der Auswahl der Filme für den diesjährigen LET’S CEE Spielfilm-Wettbewerb war es mein Ziel, dank der freundlichen Einladung der Festivaldirektorin Magdalena Żelasko, die Komplexität, Schönheit und den Charakter der Region widerzuspiegeln. Unterschiedliche Filme wie Birds Are Singing in Kigali und Something Useful – beide mit Frauen im Zentrum – treffen in Directions mit einem bitteren Porträt der postkommunistischen Welt zusammen. Das Familiendrama in Silent Night steht im Kontrast zum intimeren Film Falling und der bittersüßen Geschichte in Ice Mother. Die Geopolitik beeinflusst das Leben der Charaktere in The Gateway, während Mafia-Strukturen die Heldin von Ivan fast zerstören. Im dunklen, poetischen LET’S CEE Eröffnungsfilm November findet man Magie und Folklore, in Pororoca ein einschneidendes Erlebnis und in Men Don’t Cry gar eine Gruppenpsychotherapie für Kriegsveteranen mit posttraumatischem Stress-Syndrom.
Dieser Wettbewerb spiegelt die vielen Gesichter, Geschmäcker und Freuden wider, die in dieser kulturell reichen Region zu finden sind. Ich bin stolz, ein Teil davon zu sein, und lade Sie dazu ein, diese Welt durch die Filme zu erkunden, die beim LET'S CEE Festival präsentiert werden.