Im Rahmen von Off the Wall Expanded ermöglicht das vom EU-Audience Development unterstützte Programm Across the Line in sechs Ländern einen Blick auf Arbeiten von aufstrebenden Filmemachern, die sich mit den aktuellen Herausforderungen Europas beschäftigen.
FAMILY FILM von Olmo Omerzu
Igor und Irena begeben sich auf einen langen Segeltrip weit weg von zu Hause. Ihre fast erwachsenen Kinder, den 15-jährigen Erik und dessen schon studierende Schwester Anna, lässt das gut situierte Paar zurück. Nur der Hund darf mit. Nach ihrer Abreise zeigt sich bald, dass die neu gewonnene Freiheit der Kids auch ihre Tücken hat. Aus der anfänglichen Unbeschwertheit der beiden Jugendlichen wird nämlich schon bald ein Maß an Unvorsichtigkeit, das nicht ohne Folgen bleibt. Als dann noch das Schiff ihrer Eltern in einem Unwetter auf hoher See sinkt, spitzt sich die Situation gefährlich zu. Der auf einer einsamen Insel gestrandete Hund scheint plötzlich die einzige Hoffnung der zerbrechenden Familie zu sein. Beeindruckende Bilder und eine gelungene Story gehören zu den größten Stärken dieser Produktion, die letztlich ein Abenteuerfilm der etwas anderen Art geworden ist. Spürbar ist auch eine gewisse Verfremdung, die auf mehreren Ebenen zur Geltung kommt. Lange Kameraeinstellungen lassen manche Szenen beinahe surreal erscheinen. Eliška Křenková als die Jugendliche Kristýna sticht mit ihrer schauspielerischen Leistung ebenso hervor wie Karel Roden, der Familienvater. Und natürlich trägt auch der Familienhund Otto einen guten Teil zum gesamthaften Gelingen von Family Film bei. Völlig zu Recht mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ bedacht.
THE CITIZEN von Roland Vranik
Wilson, ein 50-jähriger Afrikaner, hat im Krieg seine ganze Familie verloren. Nach einer gefährlichen Reise ist er in Ungarn gelandet. Trotz seines Schicksals hat er seinen Lebensmut nicht verloren. Er arbeitet als Wachmann in einem Einkaufszentrum und versucht sich ein neues Leben aufzubauen. Vor allem aber will er ein vorbildlicher Staatsbürger werden. Dabei hilft ihm Mari, eine Einheimische, die ihm unter anderem die Geschichte und die Verfassung seines Gastlandes näherbringen soll. Denn darüber wird er bei der erhofften Einbürgerung befragt werden. Die beiden verlieben sich, doch dann tritt die hochschwangere Iranerin Shirin in Wilsons Leben. Sie versteckt sich bei ihm vor der Polizei und den Behörden. Während es in der Wohnung nach der Geburt des Kindes eng geworden ist, wachsen die Probleme zwischen Wilson, Mari und Shirin ins Unermessliche. Roland Vranik setzt sich in seiner unorthodoxen Liebegeschichte nuanciert mit dem Thema Integration auseinander. Wie lange dauert es eigentlich, ein Land als neue Heimat zu akzeptieren? Und wie lange, bis man von der neuen Heimat akzeptiert wird? Ein ohne technischen Schnickschnack, dafür aber mit vielen Laienschauspielern, sehr naturalistisch inszenierter und damit höchst authentisch wirkender Film mit einer Botschaft, die zu Herzen geht.
ZOOLOGY von Ivan I. Tverdovsky
Natasha arbeitet im örtlichen Zoo. Die Mittfünfzigerin wohnt immer noch bei ihrer Mutter. Zu den Tieren pflegt die Russin ein innigeres Verhältnis als zu ihren Kolleginnen und den anderen Menschen in ihrer Umgebung. Ihr einsames Leben scheint völlig festgefahren, bis sie eines Tages feststellt, dass ihr ein großer Schwanz aus dem Rücken gewachsen ist. Von starken Schmerzen geplagt, geht sie zum Arzt und landet schließlich bei einem jungen Radiologen namens Pyotr, der ihre Andersartigkeit umstandslos zu akzeptieren scheint. Die beiden kommen einander näher und Natasha blüht richtiggehend auf. Derweil machen Gerüchte über eine vom Teufel besessene Frau in der Nachbarschaft die Runde. Vor allem Natashas herrische und ultra-religiöse Mutter versucht sich um jeden Preis vor dem drohenden Bösen zu schützen. Auf den ersten Blick erscheint die Geschichte mit fiktionalen Elementen eine Tragödie mit einer unglücklichen Protagonistin zu sein, die einen universellen Außenseiter-Status bedient. Nicht nur, aber insbesondere auch wegen seiner vielfältigen psychologischen und sozialen Interpretationsansätze, lässt sich der Film jedoch letztlich schwer einem Genre zuordnen. Er spielt mit den Erwartungen der Zuschauer und bleibt fast bis zum Schluss ein Manifest der Freude an der eigenen Einzigartigkeit.
Zusätzlich:
DISKUSSIONSVERANSTALTUNG
AN DER UNIVERSITÄT WIEN
Refugees still welcome... or not?