LET'S CEE Dokumentarfilm-Wettbewerb
Kuratorin: Rada Šešić
„Wir nehmen die dokumentarische Kamera als objektiv und körperlos wahr. Wir identifizieren uns mit ihr und lassen sie für uns sehen... Wenn wir allerdings dazu gebracht werden, zu vergegenwärtigen, dass jener Blick, den wir für den unsrigen halten, zugleich auch der des Filmemachers ist, der tatsächlich Teil der gefilmten Ereignisse ist, dann verstehen wir, dass der Blick der dokumentarischen Kamera nicht körperlos und objektiv sein kann. Dieses Wissen über die realen Hintergründe des Gefilmten ermöglicht uns schließlich auch, Fragen zur Moral zu stellen.“ Dieses Zitat aus dem Buch Recording Reality, desiring the Real von Elizabeth Cowie verdeutlicht, wie einige Filmemacher im diesjährigen Dokumentarfilm-Wettbewerb vorgegangen sind. Es ist interessant zu beobachten, wie sich Filmschaffende positionieren, wenn sie sich aus der Ich-Perspektive auf die Suche nach Antworten für uns alle machen. Sugar Blues aus Tschechien erforscht, inwieweit der Zuckergenuss unsere Körper beeinflusst und in Naked Island aus Kroatien wirft die Filmemacherin einen bestechenden Blick auf ein Familiengeheimnis. Die Regisseurinnen der Filme nehmen eine ebenso faszinierende Erzählperspektive ein, wie Viestur Kairish in The Invisible City, der gleichermaßenmeditativ und politisch ist. Anthill aus Estland reflektiert das Leben in einem riesigen Parkhaus in Tallinn, stellt das Gesehene aber in einen breiteren zeitlichen und örtlichen Rahmen. Im ungarischen Cain's Children begleitet der Regisseur Männer 30 Jahre nachdem sie einen Mord begingen. Die Regisseure begrenzen sich nicht auf die einfache Übung, Realität zu beschreiben. Vielmehr nützen sie die Stärke der filmischen Sprache, um sich auf die Suche zu machen, zu enthüllen und relevante Themen und Aspekte öffentlich zur Diskussion zu stellen. Der serbische Dokumentarfilm Logbook Serbistan nimmt sich ein heißes Thema vor: Migration, Grenzen und die (un)menschliche Haltung des Menschen gegenüber seinen Mitmenschen. Der türkische Love Will Change the Earth… reflektiert einen der größten bürgerlichen Aufstände in der Geschichte der modernen Türkei und der rumänische Dokumentarfilm Trading Germans nimmt sich einem der größten Menschenhandel in der Geschichte an. Bemerkenswerte Geschichten, die bereits erfolgreich auf Festivals in den USA und in Europa gelaufen sind, wie die rumänische Dokumentation Chuck Norris vs Communism, und die polnischen Filme Call Me Marianna sowie The Queen of Silence zeigen mit Bewunderung den Mut ihrer Hauptcharaktere, indem sie auf bestechende, filmisch spannende Weise und ohne aufdringlich zu sein die Gesellschaft rund um sie kommentieren. Wir präsentieren Ihnen elf starke, bewegende Dokumentarfilme, die mit Leidenschaft und großem Enthusiasmus gemacht wurden – was sich in jeder einzelnen Einstellung widerspiegelt; elf persönliche und künstlerisch anspruchsvolle Reflektionen der Welt, die uns mit ernsten Themen konfrontieren und an unsere Wachsamkeit appellieren, die uns über uns selbst grübeln lassen und uns auf unserer immerwährenden Suche nach einer tieferen Wahrheit voranbringen.
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