Lasnamäe wirkt auf den ersten Blick trist und belanglos. Dieses Schicksal teilt die riesige Plattenbausiedlung im Nordosten Tallinns mit vielen Stadtrandsiedlungen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Im Mittelpunkt von Anthill steht ein auf den ersten Blick nicht weniger trostlos wirkendes Parkhaus. Doch der Schein trügt. Denn der fünfstöckige Betonkoloss dient nicht nur zum Abstellen von Fahrzeugen. Bewohner des Viertels haben einige der rund 700 Garagenboxen in ihr persönliches kleines Reich verwandelt. Der Komplex strotzt regelrecht vor Leben, der Vergleich mit einem Ameisenhaufen ist also durchaus berechtigt. Einige Boxen werden als Geschäfte genutzt, andere als Werkstätten. Sogar eine Tierambulanz, ein Tanzcafé und eine private Sauna gibt es hier. Überall verstecken sich kleine und große Geschichten. Mit einer raffinierten Mischung aus humorvoller Bildsprache und großem Feingefühl lädt Regisseur Vladimir Loginov dazu ein, in diese faszinierende Welt einzutauchen, in der mancherorts gar noch ein Hauch der Sowjetunion zu spüren ist. Der Dokumentarfilm versinkt dabei freilich weder in nostalgischer Verklärung noch in sensationsgierigem Voyeurismus, sondern ist vielmehr ein ebenso behutsamer wie liebevoller Blick über die Schultern der Menschen und auf ihre vielfältigen Leidenschaften.
Vladimir Loginov
Regisseur Anthill
In Wien: Oktober 2-5
Sipelgapesa
Vladimir Loginov
Vladimir Loginov, Max Golomidov
Dokumentarfilm
Dokumentarfilm-Wettbewerb
Estland
2015
Estnisch, Russisch mit engl. UT
83 min.